DER MANTEL – mehr als nur ein Stück Stoff
Gerda Zuleger hat vor anderthalb Jahren damit begonnen, Fragen ihres Lebens unter die Lupe zu nehmen. Es folgten Monate des Sezierens. Sie hat ihren Mantel abgelegt und einen Rollenwechsel durchgespielt. Sie beherrscht das Handwerk des Abschieds.
„Mäntel“ hat sie ihr Projekt genannt, ohne zu ahnen, welch analytisches Potential sie dabei aufmacht.
Dies ist die Geschichte des Projektes:
Eine Ausschreibung: „Die Macht der Gier“, ausgelobt vom St.-Leopold-Friedenspreis des Stiftes Klosterneuburg, veranlasste die Künstlerin ihren ersten
Mantel zu bauen, wohlwissend, dass der Mantel auch Macht symbolisiert.
Die Autorin hat der Macht und der Gier ein prägnantes Gesicht gegeben: ein goldenes Gewand, von bedrohlich voluminösem Ausmaß, kopflos und gewaltig. Aus der Tiefe des mächtigen Kragens erwachsen die Insignien der Macht: ein goldenes, gleichwohl schmuckloses Kreuz mit einem güldenen Apfel. Blut rinnt vom Mantel herab. Macht ist nicht ohne Blut zu haben. Von der Rückseite blickt ein Schädel aus hohlen Augen. Der Schädel gehört einem frühen Menschen, totgeschlagen aus Gier vor Millionen von Jahren.
Am Ende mutet uns Gerda Zuleger 13 unterschiedliche Mäntel zu. Das Zahlzeichen 13 verkündet die Ambivalenz von Glück und Unglück eines Lebens.
Schonungslos trifft dieses Werk den Kern. Trost und Trauer, Verzweiflung und Verlorenheit, Angst und Verzückung, einer Konsummietze wird der Eimer der Sinnlosigkeit übergestülpt.
Wer die lebenshohen Wesen aufragen sieht, bekommt weiche Knie.
Die Künstlerin schafft es, eine fundamentale Energie, Spannkraft und Spiritualität ins Werk zu holen. Die verarbeiteten Accessoires, für jeden Mantel mit Bedacht eingefügt, entfalten hier einen dunklen, beunruhigenden Unterton, dort bittere Erfahrung und da aber auch symbolhaften Humor.
Heute, wo unsere Werte ständig aufs Neue erschüttert werden, trifft sie genau den Nerv der Zeit.
Ihre Figuren sind Ikonen des Lebens. Sie erzählen von Fremdheit und Einsamkeit, vom Gipfel des Schmerzes über die Liebe.
„13 Mäntel“ ist eine Abhandlung von Augenblicken der Gewissheit.
Die lyrischen Texte von Petra Fietzek ummanteln dieses Projekt zu einem Gesamtkunstwerk. Es sollte in die Welt hinaus.
Das würde ich dieser seelentiefen Installation wünschen.
Prof. Menges-SPELL